Was ist Scheinselbstständigkeit?
Scheinselbstständigkeit – oft auch als „bogus self-employment“ bezeichnet – liegt vor, wenn jemand scheinbar selbstständig arbeitet, tatsächlich jedoch unter Bedingungen tätig ist, die rechtlich als abhängige Beschäftigung eingestuft werden. Sie wird nicht durch ein einzelnes Gesetz definiert, umfasst aber in der Regel Arbeitnehmer, die:
Anweisungen befolgen und wie ein Angestellter arbeiten.
Von einem einzigen „Kunden“ für den Großteil oder die Gesamtheit ihres Einkommens abhängig sind.
Kein unternehmerisches Risiko tragen (z. B. keine finanziellen Investitionen, kein Personal, keine echte Autonomie).
Da echte Arbeitnehmer (und ihre Arbeitgeber) in die Sozialversicherung einzahlen müssen, achten die Behörden besonders auf Scheinselbstständigkeit. Sobald sie entdeckt wird, drohen sowohl dem Arbeitnehmer als auch dem Auftraggeber erhebliche Nachzahlungen für Steuern und Sozialabgaben – oft rückwirkend über mehrere Jahre hinweg.
Warum ist das wichtig?
Finanzielle Konsequenzen
Die Sozialversicherungsbehörde (Deutsche Rentenversicherung) kann rückwirkende Zahlungen für Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung fordern. Auch die Arbeitgeber können gezwungen werden, entgangene Lohnsteuer zu zahlen.Rechtliche Haftung
Scheinselbstständigkeit wird oft als eine Form von verdeckter Beschäftigung behandelt, vergleichbar mit “illegaler Arbeit.” Abhängig von den Umständen kann dies zu Geldstrafen oder sogar strafrechtlichen Anklagen führen.Arbeitnehmerrechte
Wenn ein angeblicher “Freelancer” als echter Mitarbeiter gilt, hat er Anspruch auf alle Arbeitnehmerrechte—wie bezahlten Urlaub, Krankheitsurlaub und Kündigungsschutz. Unternehmen riskieren rechtliche Schritte, wenn sie sich nicht daran halten.
Wichtige Anzeichen für Scheinselbstständigkeit
Nachfolgend sind einige Faktoren aufgeführt, die auf eine Arbeitnehmer-Beziehung hinweisen, anstatt auf echten Freelancer-Status. Während jeder dieser Punkte allein nicht schlüssig sein mag, signalisieren mehrere Warnzeichen oft Probleme.
Einzige Einkommensquelle (der Hauptindikator)
Arbeitest du hauptsächlich (oder ausschließlich) für nur einen Kunden?
Erbringt dieser einzelne Kunde 80% oder mehr deines gesamten Umsatzes?
Arbeitest du länger als ein Jahr mit diesem Kunden zusammen?
Weisungsgebundenheit
Musst du detaillierten Anweisungen zu Arbeitsprozessen, Zeitplänen oder Methoden folgen?
Bist du in die interne Organisation des Kunden integriert (Teammeetings, Zeiterfassung, etc.)?
Verwendung von Kundenressourcen
Verwendest du die Computer oder Werkzeuge des Kunden vor Ort, statt deine eigenen?
Bist du verpflichtet, die Firmenuniform zu tragen oder das Geschäft zu repräsentieren, als wärst du ein Mitarbeiter?
Fehlendes unternehmerisches Risiko
Hast du keine echten Geschäftsausgaben oder eigene Investitionen?
Hast du keine Mitarbeiter oder Subunternehmer selbst eingestellt?
Feste Arbeitszeiten & strenge Arbeitsabläufe
Bist du verpflichtet, die gleichen Arbeitszeiten wie die tatsächlichen Mitarbeiter einzuhalten?
Verlangt dein “Kunde” Zeiterfassungsberichte oder kontrolliert er strikt deinen Zeitplan?
Kein Branding oder Marketing
Du vermarktest dich nicht unabhängig, hast keine Website oder Markenpräsenz und suchst nicht aktiv nach anderen Kunden.
In der Regel genügt der erste Indikator, um die Deutsche Rentenversicherung aufmerksam zu machen. Wenn einige dieser Szenarien zutreffen, könntest du dem Risiko der Scheinselbstständigkeit ausgesetzt sein.
Echte vs. falsche Selbstständigkeit
Nachfolgend ist ein schneller Vergleich, um festzustellen, ob du eher ein echter Freelancer oder ein Schein-Angestellter bist:
Echte Selbstständigkeit
Du legst deine eigenen Honorare, Arbeitszeiten und Zeitpläne fest.
Du investierst in deine eigenen Werkzeuge und Büros.
Du kannst und tust es auch—Kunden frei annehmen oder ablehnen.
Du kümmerst dich selbst um deine Sozialversicherungsbeiträge (es sei denn, es gibt Ausnahmen).
Du suchst mehrere Kunden, um deine Einnahmequellen zu diversifizieren.
Schein-Selbstständigkeit
Du bist von einem einzigen Kunden für den Großteil deines Einkommens abhängig.
Du folgst Anweisungen zur Zeit, zum Ort oder zur Art der Arbeit.
Du hast keine echte Möglichkeit (oder Erlaubnis), für andere zu arbeiten.
Du hast keine wesentlichen Geschäftsrisiken oder -kosten auf eigene Rechnung.
So schützt du dich vor Scheinselbstständigkeit
Diversifiziere deinen Kundenstamm
Strebe an, mit mehr als einem Kunden zu arbeiten, um die Abhängigkeit von einer einzigen Quelle zu verringern. Es ist schwierig, ein Schein-Angestellter zu sein, wenn du für 5 ständig wechselnde Kunden arbeitest. Das senkt nicht nur dein rechtliches Risiko, sondern hilft deinem Unternehmen auch stabil zu bleiben, falls ein Kunde Projekte reduziert oder geht.Pflege ein unabhängiges Profil
Baue und fördere deine Geschäftsidentität: Nutze dein eigenes Logo, deine Website und soziale Medienkanäle. Zeige, dass du für neue Arbeit offen bist und vermarkte dich weiter, auch wenn du einen festen Hauptkunden hast.Kontrolliere deinen Arbeitsablauf
Betone das Ergebnis statt mikromanageter Aufgaben. Ein typischer Freelance-Vertrag konzentriert sich auf Ergebnisse, nicht darauf, wie, wann oder wo du diese erzielst.Vermeide Unternehmensintegration
Wenn möglich, verwende deinen eigenen Laptop, Softwares oder Ausrüstung. Begrenze deine Präsenz auf dem Gelände des Kunden, es sei denn, Projektdetails erfordern es zwingend.Klare Vertragsbedingungen
Erstelle einen richtigen Vertrag, der deine Autonomie festhält:Du bist frei, mit anderen Kunden zu arbeiten.
Du legst deinen eigenen Zeitplan fest oder hast zumindest Flexibilität.
Du bestätigst, dass du unternehmerische Risiken eingehst (z.B. kein garantiertes Einkommen oder Leistungen wie Urlaubsgeld).
Halte deine Unterlagen aktuell
Halte geordnete Aufzeichnungen von Rechnungen, E-Mail-Kommunikationen, Marketingaktivitäten usw. Wenn die Behörden jemals deinen Status hinterfragen, ist ein Nachweis über deine unabhängigen Aktivitäten und vielfältige Kundenliste ein starkes Argument.
Was passiert, wenn du als Scheinselbstständig eingestuft wirst?
Statusneuklassifizierung
Die Deutsche Rentenversicherung oder die Steuerbehörden könnten dein Verhältnis als Beschäftigung umklassifizieren. Dies löst typischerweise Folgendes aus:Rückzahlungen & Strafen
Dein “Arbeitgeber” könnte verpflichtet werden, jahrelange fehlende Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen—sowohl Arbeitgeber- als auch Arbeitnehmeranteile.
Du, als Arbeiter, könntest gezwungen sein, rückwirkend deinen Anteil an Renten- oder Krankenversicherungsbeiträgen zu zahlen (in der Regel bis zu 3 Monate, während der Arbeitgeber mehr schulden könnte).
Steueranpassungen
Jegliche von dir berechnete Mehrwertsteuer könnte ungültig werden. Der “Arbeitgeber” muss rückwirkend die Einkommenssteuer (Lohnsteuer) handhaben, als wärst du ein regulärer Mitarbeiter.Mögliche strafrechtliche Anklagen
In schweren oder absichtlichen Fällen könnten beide Parteien Geldstrafen oder sogar Anklagen wegen Umgehung der Sozialversicherungsgesetze erwarten.
Klärung suchen: Statusfeststellungsverfahren
Wenn du unsicher bist, ob ein bestimmtes Arbeitsverhältnis in Scheinselbstständigkeit übergeht, kannst du ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen. Sie prüfen die Details—Verträge, tägliche Arbeitsbedingungen—und geben eine offizielle Entscheidung ab. Beachte, dass du mit dem Ergebnis eventuell nicht glücklich bist, wenn sie feststellen, dass du tatsächlich ein Mitarbeiter bist.
Wie Norman helfen kann
Bei Norman verstehen wir die Herausforderungen, die sich aus der Navigation durch deutsche Vorschriften als Freelancer oder Kleinunternehmer ergeben. Wir wissen auch, wie schwer es ist, die ersten Kunden zu finden, besonders wenn du gerade erst anfängst. Unsere automatisierte Buchhaltungs- und Steuerlösungen helfen dir dabei:
Mehrere Kunden verfolgen, um ein diversifiziertes Einkommen zu zeigen.
Alle Dokumente organisieren (Rechnungen, Belege, etc.) auf einer sicheren Plattform, was Prüfungen oder Statusabfragen erleichtert.
Informiert bleiben mit aktuellen Updates zu rechtlichen Änderungen und Best Practices, um dein Risiko der Scheinselbstständigkeit zu reduzieren.
Fazit
Scheinselbstständigkeit kann schwerwiegende Folgen haben – von hohen Nachzahlungen bis hin zu rechtlichen Konsequenzen. Ob du Freiberufler beschäftigst oder selbst als Auftragnehmer tätig bist: Sorge dafür, dass dein Setup rechtlich einwandfrei ist. Diversifiziere deinen Kundenstamm, betone deine unternehmerische Freiheit und formalisiere deine Unabhängigkeit in klaren Verträgen. Im Zweifel solltest du frühzeitig professionellen Rat einholen, um dich auf das zu konzentrieren, was du am besten kannst, ohne Angst vor einer überraschenden „Scheinselbstständigkeits“-Anklage.